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Hinrichs Philosophie

Im Mai 1979 gründete Hinrich Boekhoff das Teefachgeschäft "Hinrichs Teehus" in der Froschgasse in Tübingen. Hinrichs Art, mit den Leuten zu reden, kam an, und er verstand es, Sortiment und Angebot auf die Wünsche seiner Kunden hin auszubauen. Bald hatte sich eine treue Stammkundschaft entwickelt, und sein "Teehus" wurde für viele zum Markenzeichen in Tübingen. In den ersten Jahren nutzte er einen hinter dem eigentlichen Laden gelegenen Raum und die "Teetrink-Ecke" für kleine Ausstellungen junger Künstler: Es waren Bilder aller Techniken zu sehen, von Zeichnungen über Aquarelle bis hin zu Photos und Keramik. Mit Hilfe von Ausstellungsplakaten konnte er dadurch auch auf seinen Laden aufmerksam machen.
Hinrichs einfache Art und seine überzeugende Grundhaltung zur umweltschonenden, unbelasteten und gesunden Ware schaffte großes Vertrauen. Er war ein Teehändler, der, anstatt viel Geld in Werbung zu investieren, es lieber für Rückstandsanalysen seiner Tees ausgab. Die Existenz von ungebleichten Papier-Teefiltern hat der Handel ebenfalls Hinrich zu verdanken. Die ersten Teefilter dieser Art wurden von einem der wenigen Hersteller auf sein unermüdliches Drängen hin produziert.

Hinrich hinter der Kasse im Teehus

Darüber hinaus hatte Hinrich einen hohen Anspruch hinsichtlich eines umweltbewußten Lebensstils, den er selbst vorlebte. Der überzeugte Fahrradfahrer Hinrich hatte drei große Anliegen: die Lösung der Verkehrsprobleme in Tübingen, die alternativen Möglichkeiten der Energiegewinnung und -nutzung und den Artenschutz auf der Erde. Er hatte sich zu diesen Themen nicht nur kundig gemacht und sich ein breites aktuelles Wissen angeeignet, sondern er lebte danach, er warb dafür - auch in seinem Geschäft -, und er regte jeden zum  Mitmachen an, der in seine Umgebung kam. Das war keineswegs immer angenehm, gelegentlich auch ärgerlich, aber letztlich meist erfolgreich. Mit seiner direkten und ehrlichen Art hat er so manchen brüskiert, aber die meisten liebten seine Unverblümtheit, die Dinge beim Namen zu nennen. Zum Beispiel meinte er auf die häufige Frage von Kunden, welcher Kandis denn der Beste zum Süßen von Tee sei, nur lapidar: "Die sind alle gleich schlecht für die Zähne; und außerdem ist Zucker der schlimmste Vitamin-B-Räuber!" - oder: "Der größte Fehler, Tee zuzubereiten, steht in allen Teebüchern: 1 TL Tee pro Tasse zu dosieren; das ist zwar unternehmerfreundlich, aber schmeckt fürchterlich..."

Original "National" Kasse von damals

Hinrich konnte mit allen "Arten" von Teetrinkern gut umgehen. Ob Professor oder Hausfrau, Punk oder Penner, Schwabe oder Ostfriese, alle fühlten sich bei ihm gut bedient. Überhaupt blieb Hinrich immer seiner ostfriesischen Heimat verbunden. Von Anfang an organisierte er "Teetreffs" mit den in Tübingen lebenden Ostfriesen:

"Was wäre die ostfriesische Teestunde ohne die Teesahne? Ein Tröpfchen schon vermag die dunkle Flüssigkeit aufzuwühlen, eine kleine, liebliche Explosion ist es, die sich in jedem Köpke Tee wieder neu vollzieht. Bizarre, sahnige Kreise sind die Folge - "Wolke" nennt man sie, und dem Ostfriesen ist sie heilig."
(aus Ostfrieslandmagazin 1985)

Auch für Hinrich war sie "heilig", obwohl er sich nach einigen Jahren als Teefachmann den Zucker im Tee abgewöhnt hatte und die ostfriesische Art des Teetrinkens als barbarisch bezeichnete.
Wie alle begeisterten Teetrinker kannte auch er die Entzugserscheinungen auf Reisen. Egal, wo er war, er hatte immer seinen englischen Teepott aus Metall dabei.

Trotz seiner gesundheitsbewußten Ernährungsweise wurde Hinrich im Mai 1990 von einem Krebsleiden überrascht, an dem er im November 1990 im Alter von 37 Jahren starb.